Da stand er nun. Werner blickte über eine fast unübersehbare Schonung, mit unzähligen Tannenbäumen. Kleine und große, schlanke und richtig buschige. Mit helleren und dunkleren Nadeln. Welchen sollte Werner denn absägen und mit nach Hause nehmen? So kurz vor Weihnachten sind eigentlich viele Menschen unterwegs um sich so eine große grüne Pracht für das Fest des Jahres zu holen. Er war spät dran und so hatte er das große Gelände für sich alleine. Diese Nadelbäume machen Weihnachten erst zu einem echten Fest, dachte sich Werner. Er stand immer noch da. Ihm fiel das Lied ein, dass sie immer zu Beginn des Schmückens sangen „Oh Tannenbaum…“. Und als er so dastand und über die ganzen Bäume blickte, regte sich mitten in der Schonung einer dieser Prachtexemplare. Die Spitze wippte hin und her, obwohl es windstill war. Alle anderen standen still und trugen den leichten Schnee auf ihren Zweigen mit aller Kraft. Sie sahen aus wie frisch gepudert. Werner entschied sich zu diesem winkenden Baum zu gehen und ihn nach den Vorgaben seiner Familie zu prüfen. Er muss so groß sein, dass er bequem in die Ecke im Wohnzimmer passt. Sein Wuchs sollte aussehen wie ein Dreieck. Unten breit und oben eine super Spitze, auf die ein ganz besonderer Weihnachtschmuck passte. Aber, so hat man ihm gesagt, die Spitze sollte gerade sein. Seine Frau und die beiden Kinder waren schon mit dem Baumschmuck beschäftigt und warteten darauf, dass er den richtigen Baum mit nach Hause brachte. Werner hatte sein Ziel in der Schonung erreicht. Auf den ersten Blick war das der richtige Baum. So groß wie Werner, gerade gewachsen, mit einer tollen Spitze. Er hatte das Gefühl dieser grüne Weihnachtsbaum wisperte ihm etwas zu. Nimm mich, glaubte er zu hören. Ein himmlischer Tannenduft stieg ihm in die Nase. Er erinnerte sich plötzlich an eine Begebenheit, die er als Kind erlebt hatte. Damals gab es so einen kleinen grünen Baum, den keiner haben wollte, weil er so klein war um in einen Topf zu passen. Er war ein bisschen schief geraten, weil ihm der Nachbarbaum den Platz weggenommen hatte. Er wollte ihn damals haben und hatte bereits sein Zeichen unten an dem noch kleinen Stamm hinterlassen. Ein kleines rotes Band. Und wie Werner so nach unten blickte, erspähte er sein Band. Das darf nicht wahr sein, dachte er so bei sich. Von einem krummen Wuchs war nichts mehr zu sehen. Sein Tannenbaum aus vergangenen Zeiten stand stolz und gerade vor ihm. Er reckte seine Zweige gleichmäßig in die Runde und seine Spitze zeigte ganz gerade in Richtung Himmel. Sollte es tatsächlich sein Tannenbaum aus Kinderzeiten sein? „Da haben sie sich aber einen besonderen Baum ausgesucht“, hörte er hinter sich den Besitzer der Schonung sagen. „Diesen Baum wollte ich eigentlich schon vor Jahren aus der Schonung entfernen. Aber ich bin vor lauter Arbeit und Neuanpflanzungen nicht dazu gekommen. Inzwischen hat er sich erholt und ist prächtig gewachsen“. Das war der Baum für Werner und seine Familie, keine Frage. Er zitterte ein bisschen als er die Säge ansetzte. Nein, nachdem sich der Tannenbaum so angestrengt hat prächtig zu wachsen, konnte er diesen grünen Baum nicht einfach absägen. Werner fragte den Gärtner nach einer Schaufel und buddelte ihn aus. Er besorgte sich einen großen Kübel und pflanzte ihn sorgfältig ein. Der Tannenbaum sollte noch lange seine Kraft nutzen um weiter zu wachsen. Als er nach Hause kam, staunte seine Familie nicht schlecht. Ein Tannenbaum im großen Kübel erlebten sie zum ersten Mal. Er passte genau in die Ecke des Wohnzimmers. Und dann vollzog der Baum seine Wandlung vom Tannenbaum zum Christbaum. Er erhielt rote und silberne Kugeln. Kleine silberne Vögelchen, selbstgebastelte Weihnachtskarten und natürlich Kerzen. Das gemeinschaftliche größte weihnachtliche Schmuckstück war die Spitze. Werner hatte das Gefühl sein Baum reckte ihm die Spitze als Dank für seine Rettung entgegen. Alle zusammen schauten sich anschließend den festlichen Baum an. Das war der Christbaum, den Werner sich ein Leben lang gewünscht hatte. Und jetzt konnte er zusammen mit seiner Familie den Christbaum bewundern. Ein kleines Tränchen kullerte ihm vor Freude über die Wange. Er hatte damals nie verstanden, warum er seinen Baum nicht haben durfte. Nur weil er damals etwas schief war? Nachdem ihm Werner einen kräftigen Schluck Wasser gegeben hatte, blieb er noch einige Zeit im Sessel sitzen und schaute den prächtig geschmückten Christbaum an. Das rote Band von einst hing immer noch ganz unten am Stamm. Werner hatte auch bereits einen Platz für seinen Baum, den er nach Weihnachten bekommen sollte. Sein Tannenbaum hatte es geschafft. Doch jetzt war Weihnachten und der Christbaum erfreute die ganze Familie während den Festtagen des Jahres.
Foto Weihnachtsbaum
Foto Weihnachtsbaum
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